B. Schäbler (Hrsg.): Area Studies und die Welt

Title
Area Studies und die Welt. Weltregionen und neue Globalgeschichte


Editor(s)
Schäbler, Birgit
Series
Globalgeschichte und Entwicklungspolitik 5
Published
Extent
260 S.
Price
€ 17,80
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Katja Naumann, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO), Leipzig

Globalgeschichte formiert sich seit längerem zu einem Wissensfeld, das auf Forschungsstände und Werkzeugkästen verschiedener Fächer zugreift, weshalb interdisziplinäre Schnittstellen und disziplinäre Arbeitsteilungen neu ausgelotet werden müssen. Debattiert wird in diesem Zusammenhang insbesondere das Verhältnis zur so genannten außereuropäischen Geschichte sowie den Regionalwissenschaften – nicht zuletzt deshalb, weil sich diese gerade selbst in einem Prozess der Revitalisierung befinden.1 Der Frage, wie sich diese Beziehung produktiv und gewinnbringend für beide Seiten gestalten lässt, widmet sich der vorliegende Sammelband, herausgegeben von Birgit Schäbler, Professorin für Westasiatische Geschichte an der Universität Erfurt. Er basiert auf drei Manuskripten, die für ein Panel auf dem I. Europäischen Kongress für Welt- und Globalgeschichte 2005 verfasst wurden und ist um sieben Beiträge ergänzt.2 Wenngleich sich die Aufsätze in Herangehensweise sowie Überzeugungskraft unterscheiden, greifen sie allesamt das Anliegen des Bandes auf, wird mit Ernsthaftigkeit eine Antwort darauf gesucht, wie die Erforschung Außereuropas (innerhalb wie außerhalb der Geschichtswissenschaft) mit globalen Zugängen verbunden werden kann. Wichtig ist der Sammelband, weil er eine erste vielstimmige Stellungnahme zu diesem Thema vornimmt und sich damit dessen intellektuellen Herausforderungen sowie seiner forschungspolitischen Relevanz stellt. Und überzeugend ist er, da er zeigt, wie offen sich Regionalhistoriker, jenseits mancher Abgrenzungsrhetorik, in der Praxis auf globalgeschichtliche Fragestellungen einlassen, wie groß das Potential des Zusammenführen der unterschiedlichen Perspektiven ist.3

In Vorwort und Einleitung diskutiert Birgit Schäbler das übergeordnete Spannungsfeld zwischen Regionalwissenschaften und disziplinär organisierten allgemeinen Wissenschaften; die intellektuellen Traditionen sowie politischen Anbindungen der Erforschung „Außereuropas“ in Deutschland; und aus vergleichender Perspektive die Entwicklung von Area Studies/ Regionalwissenschaften für die ehemaligen Kolonialmächte Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die USA. Das ist kein bescheidenes Programm, da ihr dafür in diesem kleinformatigen Band gerade einmal dreißig Seiten zur Verfügung stehen. Zwangsläufig wirkt daher manche Einschätzung verkürzt oder impressionistisch, auch weil die Texte zudem noch Zeugnis von dem persönlichen Engagement der Autorin für die Stärkung und Verteidigung der vor allem in den USA in Kritik geratenen Area Studies ablegen.4 Zwei Beispiele mögen diese Eindrücke verdeutlichen: „Nirgendwo sonst auf der Welt“, heißt es etwa, „sind die Area Studies so stark politisiert und polarisiert wie in den USA, eben weil sie im Spannungsfeld realer Weltmachtpolitik und ihrer Analyse und ebenso Opposition stehen.“ (S. 39f.) Zuvor hatte Schäbler jedoch darauf hingewiesen, dass auch hierzulande die Erforschung von Weltregionen wesentliche Impulse von kolonialen und imperialen Interessen während des Kaiserreiches erfuhr und die Verflechtung von Politik und Wissenschaft im Nationalsozialismus bis in die 1980er-Jahre zu einer nachhaltigen Diskreditierung der Regionalwissenschaften führte. In dieser Parallelisierung steckt eine wichtige Beobachtung, dass nämlich in beiden Ländern Außereuropa in den Blick der Wissenschaften geriet, als man begann sich als Weltmacht zu deuten und zu agieren. Damit ist ein ganzes Bündel an weiterführenden Fragen aufgeworfen, zumindest deren Benennung aufschlussreich gewesen wäre.5

Problematisch erscheint auch, dass Schäbler allzu unkritisch ein weit verbreitetes Narrativ übernimmt, wenn sie die Area Studies in den USA als Kind des Kalten Krieges kennzeichnet (S. 15). Zwar relativiert sie dieses Bild vorsichtig, wenn sie auf ältere Wurzeln schon vor 1945 verweist, die ihre Entwicklung in der Nachkriegszeit geprägt haben, doch insgesamt fokussiert sie auf die Entwicklungen in der zweiten Jahrhunderthälfte. Damit werden frühere Perioden isoliert und deren Tradierungen bis in die Gegenwart übersehen 6, wie sie aus ihren nicht minder wirksamen politischen Kontextualisierungen gelöst werden. Zudem impliziert die Erzählung vom „Sündenfall“ der Area Studies in den USA im Kontext des Kalten Krieges eine Gegenüberstellung von politisierten und „reineren“, stärker aus wissenschaftsimmanenten Dynamiken resultierenden Regionalwissenschaften. Diese mag sich mit genauerem Blick auf die Komplexität des Entstehens von Area Studies vielleicht doch als zu schematisch erweisen, umso mehr wenn das eine der Situation in den USA zugeschrieben, das andere für die Regionalwissenschaften der vergangenen drei Dekaden hierzulande reklamiert wird.

Abgesehen davon, dass also die Beschreibungen der U.S.-amerikanischen Entwicklungen wie der deutsch-amerikanische Vergleich eine Reihe von Fragen provozieren, legt Schäbler überzeugend dar, wie relevant die außereuropäische Geschichte für globale historische Perspektiven ist. Denn ihre Sorge, dass historisches Wissen über Weltregionen oftmals „nur in seiner Beziehung zum Westen erfasst wird“ und demnach die Gefahr besteht, „dass die Weltregion nur in der Terminologie eines Narratives auftaucht, das als die globale Geschichte des Westens definiert wird“ (S. 37), beschreibt eine der großen Herausforderungen einer empirisch fundierten Globalgeschichte: das Entwerfen von Deutungen, die polyzentrisch argumentieren und regionale Unterschiede bzw. Ungleichzeitigkeit erfassen.

Eine instruktive Beschreibung nordamerikanischer Ansätze zur Globalgeschichte hat Patrick Manning verfasst. Souverän macht er darin mit den wesentlichen Akteuren, inhaltlichen Ansätze und Debatten sowie Formen der Institutionalisierung bekannt. Der vergleichende Blick auf U.S.-amerikanische und europäische Forschungen zeigt sowohl rege wechselseitige Rezeption, als auch große Differenzen in der thematischen Orientierung, der generellen Ausrichtung der Autoren und dem gewählten zeitlichen Rahmen (S. 60). Diese führt Manning auf zwei divergierende Entwicklungstendenzen zurück: In den USA waren es „zunächst Historiker im Bereich der Area Studies (...), die die Existenz globaler historischer Muster akzeptierten“ (S. 66) und auch heute wird Globalgeschichte „im Wesentlichen als die Geschichte der Welt außerhalb Europas und Nordamerikas verstanden“ (S. 71). Dagegen habe in Europa „Globalisierung, sei es als Thema, Rahmen oder Paradigma“ eine größere Aufmerksamkeit erfahren (S. 80). Ob die europäische Parallele zu U.S.-amerikanischen „Area Studies“ in der Kolonialgeschichtschreibung liegt (S. 79) oder in den USA „Global History“ primär der Markierung eines Forschungsfeldes dient, während „World History“ der Terminus für das Lehrfeld ist (S. 83), lässt sich dagegen diskutieren. Auch wenn Manning sich, wie schon in seinem Buch „Navigating World History“ von 2003 weitgehend auf nordamerikanische Erfahrungen stützt, macht er doch deutlich, dass aus eben dieser Sicht anderswo längst eine etablierte Global-History-Forschung anzutreffen ist – eine gegenüber manch selbstanklagenden Passagen im europäischen Kontext erfrischende Kenntnisnahme der Bemühungen an verschiedenen Standorten.

Angelika Epple lotet das Verhältnis von Regional- und Globalgeschichte geschichtstheoretisch aus, indem sie das Spannungsfeld zwischen Lokalem und Globalem als Variante des allgemeinen Problems beschreibt, wie sich die Teile zum Ganzen verhalten. Seit 1800 gehe man davon aus, dass beide in einer dialektischen Beziehung zu einander stehen. Historische Erkenntnis “beschäftigt sich mit dem Teil, dies verändert das Verständnis des Ganzen und das veränderte Verständnis des Ganzen bringt mit veränderten Fragen zurück zum Teil“ (S. 102f.). Das Ganze sei es also, als Vorstellung oder Idee gefasst, das seine Teile hervor bringe, wobei in dieser endlosen Bewegung „die Suche nach dem Kausalnexus und dem globalgeschichtlichen Wirkungszusammenhang“ obsolet wird (ebd.). Paradox dazu verhalte sich die im Historismus entstandene geographische Differenzierung, in der die Nation als Ganzes gesetzt und der Rest zu seinen Teilen wurde. Diese Festschreibungen seien mit dem „spatial turn“ wieder gelöst, da die „Geographie keine hinreichende Definition des Teils“ mehr vorgibt (S. 104). Daher ließen sich Teil und die Idee des Ganzen wieder als wechselseitig konstitutiv begreifen. Ihr gemeinsamer Angelpunkt, so Epple, könnte in dem Anliegen bestehen, Erfahrungen von Globalisierung verstehbar zu machen. Globalgeschichte würde dann nicht inhaltlich definiert werden, indem wieder ein bestimmter Raum oder ein Thema zum Ganzen erheben würde, sondern könne „als eine Idee, ein Beziehungspunkt“ gefasst werden. Damit werde sie zu einer „Perspektivierung von Geschichtsschreibung“ und das Verhältnis von Regional- und Globalgeschichte lasse sich in dem Imperativ fassen: „think globally, study the local“ (S. 113).

Eine streitbare Differenzierung bezüglich des Verhältnisses von regionalen und globalen Studien formuliert Bernd Hausberger. Während die Bedeutsamkeit von „Area Studies“ darin läge, dass sie „außereuropäischen Weltgegenden eine eigene historische Existenz“ zuerkennen, ohne sie „in der geschichtswissenschaftlichen Peripherie des europäischen oder nationalen Zentrums zu verorten“ (S. 151), seien sie zugleich problematisch. Immerhin gehe sie von geschlossenen Räumen aus und übertrüge lediglich „die Probleme der nationalstaatlichen Forschung auf eine großräumigere Ebene“ (S. 157). Diesen Fallstricken entgehe die neuere Globalgeschichte, indem sie Kategorien wie Vernetzung, Transgression oder Translokalität in den Mittelpunkt rücke und feste Raummuster mit der Betonung von Beziehungsnetzwerken entgrenze. Auflösbar sei diese spannungsgeladene Konstellation auf zweierlei Wegen: Soll die Verflechtung der Region mit anderen Weltteilen beschrieben werden, müsse dies auf der Ebene des Diskurses geschehen, da etwa die Wahrnehmung einer „Lateinamerika“-Entität „vor allem aus der Perzeption der so genannten Neuen Welt durch die Alte“ (S. 157) resultiert. Davon unbesehen können überregionale Interaktionen für einzelne Bereiche vergangener Wirklichkeit rekonstruiert werden, wobei es dann aber sinnvoller sei, diese globalhistorischen Perspektiven „weniger mit Area Studies im klassischen Sinne des Wortes, die sich auf eine diskursiv festgeschriebene Weltregion beziehen, sondern eher mit regionalgeschichtlichen Ansätzen zu kreuzen“ (S. 159). Beispielhaft für letzteren Zugriff skizziert Hausberger die lateinamerikanischer Edelmetallproduktion während der Kolonialzeit. Dabei zeigt er gleichermaßen ihre Integration in weltweite Kreisläufe sowie Prozesse von Regionalisierung auf – so das Entstehen von Binnenmärkten um die Minen als ein „System originär lateinamerikanischer Wirtschaftsordnungen“ (S. 161). Als „Produkt einer sich globalisierenden Welt“ (S. 172) erfordere das koloniale Lateinamerika eine globale Betrachtung, auch aus regionalwissenschaftlicher Sicht. Zugleich sei der „Kontinent als Schauplatz von Globalisierungsprozessen, die den Nationalstaat nicht ablösen, sondern ihm vorauseilen“ (S. 173) eine zentrale Arena von Globalisierung avant la lettre und demnach von großer Relevanz für die Globalgeschichte.

Methodisch-konzeptionelle Überlegungen, jeweils empirisch exemplifiziert, werden auch in den Aufsätzen von Margrit Pernau und Dietmar Rothermund vorgenommen. Pernau setzt sich mit den Grenzen der Universalisierbarkeit von Begriffen auseinander. Da Quellen- ebenso wie Forschungsbegriffe auf historischen Erfahrungen gründen und kulturell geprägt sind, bringe eine unreflektierte Übertragung, bspw. von europäischen Begrifflichkeiten auf die Geschichte Außereuropas, Ungenauigkeiten und Missverständnisse mit sich. Aus den Schwierigkeiten einer „Subsumption unter die vertrauten Begriffe“ würde oftmals geschlossen, „dass eine Behandlung so unterschiedlicher Phänomene unter einer gemeinsamen Fragestellung nicht sinnvoll sei.“ Und da „der Westen solchermaßen die ‚richtigen’ Begriffe und Entwicklungen“ vorgibt, würde „der Rest nur als Defizitgeschichte gefasst werden.“ (118f.) Eine Globalgeschichtsschreibung, die sich auf Expertise aus den Regionalstudien gründen will, stehe nun vor der Herausforderung, ein Gespräch „zwischen den unterschiedlichen Fachwelten der Area Studies“ in Gang zu bringen (S. 119f.). Am Beispiel von Muslimen im Delhi des 19. Jahrhundert und der Frage danach, ob es unter ihnen eine abgrenzbare Gruppe gäbe, die dem europäischen Bürgertum vergleichbar wäre, entwirft Pernau modellhaft eine historische Analyse, die zu einer gemeinsamen Sprache führen will. Sie setzt bei europäischen Begriffen und Erfahrungen an, „um die Bedeutung und Anschlussfähigkeit der außereuropäischen Geschichte für die europäische Forschung deutlich zu machen“, bleibt dabei aber nicht stehen, sondern sucht „durch die Inklusion außereuropäischer Erfahrungswelten die Begriffe gleichsam von innen zu verändern“ (S. 120). Ihre historische Rekonstruktion ist überzeugend und ihr Anliegen, dass „wir uns Bürger nicht nur im Gehrock und mit Stehkragen vorstellen können, sondern eben auch einen ‚Bürger’ mit Turban“ (S. 121), geglückt.

Dietmar Rothermund macht darauf aufmerksam, dass jene Ansätze in der Globalgeschichte, die die Geschichte von Interaktionen rekonstruieren, sich von der früheren Historiographie zu Außereuropa unterscheiden, da sie aus deren „regionalspezifischer Isolation auszubrechen“ bemüht sind. Zugleich setzen sie sich von älteren welt- oder universalhistorischen Deutungen ab, da sie postmodernen Argumentationen eine Orientierung auf „agency“ sowie die Kontingenz vergangener Konstellationen entnommen haben und in Distanz zu deterministisch argumentierenden Sozialtheorien und Narrativen stehen. Damit geraten sie jedoch in die Herausforderung, „einerseits die Autonomie der handelnden Menschen zu betonen, andererseits aber mehr als je zuvor die Vielfalt der Sachzwänge berücksichtigen zu müssen, die ihre Handlungsfähigkeit einschränken“ (S. 198). Beide Aspekte würden sich besonders gut, so Rothermund, in der Untersuchung von Netzwerken verbinden lassen, denn diese wurden oft zu Instrumenten für einen steuernden Eingriff in umfassende Prozesse. Das Potential eines solchen Zugriffs illustriert Rothermund an Handels- und Produktionsnetzwerken, Verbindungslinien zwischen Missionaren und Pilgern sowie politischen Netzwerken vormoderner Städte. Zudem schlägt er vor, eine global angelegte Geschichte der Idee und Praxis von Zivilgesellschaft sowie der Naturwissenschaften in Angriff zu nehmen. In eine ähnliche Richtung wie Epple argumentiert er, wenn er Globalgeschichte als regulative Idee konzeptualisiert, die Geschichte als Interaktionsgeschichte betrachtet und konkrete Forschungsgegenstände auf ihre Einbindung in globale Kontexte befragt (S. 213).

Zwei weitere Aufsätze sind weniger konzeptioneller Natur, verdeutlichen aber ebenfalls das Potential einer Verbindung global- und regionalgeschichtlicher Ansätze. Thoralf Klein skizziert den Identitätsbildungsprozess der Hakka, einer Bevölkerungsgruppe in Südchina. Ursprünglich wurden damit Sprecher eines bestimmten Dialektes bezeichnet, späterhin weitete sich die Zuschreibung zu einem Ethnonym sowohl als Fremd- als auch Selbstcharakterisierung. Wesentlich für diese Transformation waren die weltweiten Migrationsbewegungen der Gruppe, ihre Vergemeinschaftung in der Diaspora, sowie deren Rückwirkung auf die Daheimgebliebenen. Durch bestimmte Diskurse und eine spezifische organisatorische Praxis wurden die Hakka zu einer globale Gemeinschaft, in der lokale Traditionen aus der Heimatregion gleichermaßen bewahrt blieben wie das Selbstverständnis, Teil der chinesischen Nation zu sein. Beispielhaft stehen die Hakka damit für Identitätsbildungen, in denen mehrere räumliche Ebenen ineinander greifen und in denen Globalisierung „als Vernetzung von unten“ sichtbar wird (S. 190).

Das Verhältnis von chinesischer Migration und verschiedenen Nationalismen zwischen 1880 und 1918 diskutieren Sebastian Conrad und Klaus Mühlhahn. Ihr Anliegen ist es, „die Auswirkungen der globalen Wanderungsbewegungen nachzuzeichnen und als einen zusätzlichen und externen Faktor in der diskursiven und praktischen Formierung – und Synchronisierung – des Nationalismus an unterschiedlichen Orten zu beschreiben.“ (S. 219) Überzeugend zeigen sie – fokussiert auf Deutschland, Australien und die USA –, dass Mobilität und Migration transnationale Räume und Realitäten geschaffen haben, auf die mit Bemühungen und eine Verdichtung nationaler Grenzen reagiert wurde. Zudem lösten chinesische Diasporagemeinschaften „eine Serie nationalistischer Reaktionen in den neuen Heimatländern aus, die wiederum an unterschiedlichen Orten zu einer Verschiebung nationaler Debatten und Politikformen beitrug“ (S. 221), und zwar keineswegs nur im industrialisierten Westen, sondern auch in Südostasien wie in China selbst. Auf drei Ebenen, so die Autoren, prägte die rasch zunehmende Mobilität Nationalismen: In vielen Ländern entstanden Technologien der Kontrolle diese Bewegungen, es kam zu einer „Ethnisierung der Vorstellungen von nationaler Zugehörigkeit“, wie schließlich die Nation „in systemische und globale Bezüge eingeordnet“ wurde (243f.).

Dem Band beigegeben sind eine Rede von Carter Vaughn Findley, die er im Jahre 2000 als Präsident der World History Association über „das Globale als den natürlichen Zustand der Menschheit“ hielt, sowie ein Interview der Herausgeberin mit Dipesh Chakrabarty, in dem die unterschiedlichen Erwartungen an das Potential einer globalgeschichtlichen Rahmung der Area Studies in den verschiedenen akademischen Kontexten, aus denen die Fragestellerin und ihr Interviewpartner kommen, noch einmal deutlich werden.

Anmerkungen:
1 Dafür lässt sich beispielsweise auf eine Tagung über „Die Zukunft der Area Studies“ in Deutschland verwiesen, die im Juli 2005 am Wissenschaftskolleg Berlin stattfand (ein Tagungsbericht ist erschienen in: H-Soz-u-Kult, 18.11.2005, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=938> (15.02.2009)); ferner auf die 2006 vom Wissenschaftsrat veröffentlichten Empfehlungen (Empfehlungen zu den Regionalstudien (area studies) in den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Juli 2006) sowie auf die Initiative des BMBF zur Förderung von Regionalwissenschaften mit dem Programm „Stärkung und Weiterentwicklung der Regionalstudien (Area Studies)“, das im Oktober 2008 ausgeschrieben wurde.
2 Siehe den Bericht zu diesem Panel (Areas Studies und Global History: Is there a common ground?) auf geschichte.transnational, 06. Januar 2006, <http://geschichte-transnational.clio-online.net/tagungsberichte/id=992> (15.02.2009); eine umfassende Kongressdokumentation findet sich in: Historical Social Research 31 (2006)2, sowie auf geschichte.transnational.
3 Der Leseeindruck wird zuweilen durch Flüchtigkeiten redaktioneller Natur getrübt: Kurzzitationen sind nicht aufgelöst und Ungenauigkeiten bei Namen haben sich eingeschlichen. Siehe in der Einleitung: Schulin und Bergenthum, S. 20; Haridi, S. 21; Lewis, 2000, S. 31; Manning; oder im Aufsatz von Epple, S. 91.
4 Birgit Schäbler ist an exponierter Stelle in den Arbeitskreis außereuropäischer Geschichte im Verband der Historiker Deutschlands eingebunden und deshalb besonders berufen, ein solches Plädoyer zu halten. So unterstützungswürdig dies wissenschaftspolitisch auch sein mag, so wichtig ist zu fragen, ob die Autorin ihren Anspruch „einen Überblick über Entstehung, Institutionalisierung und die Dispute um die Area Studies am Beispiel der Middle East Studies in den USA“ (S. 11) überzeugend einlösen vermag, wenn sie für diesen Aspekt vor allem auf ihre „mehrjährige Erfahrungen und Beobachtungen [...] an amerikanischen Universitäten“ rekurriert (ebd.).
5 Beispielsweise führt dies zu der Frage, ob der realpolitische Erfolg bzw. Misserfolg von weltpolitischen Ambitionen unmittelbar und linear mit zu- bzw. abnehmender Mobilisierung dafür relevanter Forschung korrespondiert. Bezüglich der Nationalgeschichtsschreibung ist gewiss, dass sie sich auch dort durchzusetzen vermochte, wo Nationalisierungsprozesse (zunächst) fehlschlugen, weil sie sich auch in der kulturellen Aneignung als politisch wirksam erwies. Es wäre daher interessant empirisch zu prüfen, ob und ggf. warum sich dies für die außereuropäische Geschichte anders verhält.
6 So haben sich die Lateinamerika-Studien in den USA bereits um die Jahrhundertwende formiert. Siehe dazu: Mark T. Berger, Under Northern Eyes. Latin American Studies and US Hegemony in the Americas 1898-1990, Bloomington 1995.

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27.02.2009
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